III. Praliminarien

Im Unterschied zu zahlreichen Industriellen im Frankfurter und Rheinischen Raum des Wilhelminischen Kaiserreichs hatte Küch kein Interesse an größerem Grundbesitz. Dagegen zog er sich gern von seiner anstrengenden und immer umfangreicher werdenden Labor- und Fabrikarbeit in ländliche Stille zurück. Öffentlichem Auftreten, größerer Geselligkeit oder gar Ehrungen ging er auffallend aus dem Wege, sogar einer Anregung aus Berlin, dem technisch interessierten Kaiser über seine Erfindungen zu berichten. Dagegen suchte er Orte der Ruhe, um abseits vom Getriebe der Welt in schöner Landschaft und gutem Klima seine wissenschaftlichen und technischen Pläne zu überdenken. Da zudem seine Ehe mit vier Kindern gesegnet war und ihm neben seinen Arbeiten die eigene Familie über Alles ging, wuchs bei den Ehegatten der Gedanke an ein weiteres Haus. Es sollte nicht zu nah und nicht zu weit von Hanau und möglichst abgelegen sein. Warum nicht auch in einem anderen Bundesstaat? Hanau war 1866 wie das ganze Kurfürstentum Hessen von Preußen annektiert worden, zu dem die alten Kurhessen auf gewisser Distanz blieben. Und Bayern war nah.

Ein Bruder Richard Küchs, der Direktor der Hessischen Staatsarchive Prof. Dr. Friedrich Küch in Marburg, war befreundet mit dem Ehepaar Ludwig und Lina Venator in Frankfurt. Diese Venators hatten sich um 1900 ein kleines, gemütliches Jagdhaus im bayerischen Odenwald, oberhalb von Watterbach, nahe der uralten Schrahmühle gebaut. An diesen schönen Platz war auch Richard Küch bisweilen zum Ausspannen und zur Jagd gefahren. Wenn er dabei durch das romantische Waldbachtal fuhr, gewann er es immer lieber. So beschloss er, sich ebenfalls dort einen Wohnsitz zu schaffen. Er bat Ludwig Venator, einen Architeken, sich nach einem geeigneten Platz umzusehen, was dieser sogleich mit Eifer betrieb.

Es sind einige Korrespondenzen zwischen Küch und Venator erhalten, die Probleme betreffen, welche mit dem geplanten Jagd- und Landsitz verbunden waren. Nicht überliefert ist freilich, ob es um 1900 bereits besonderer amtlicher Genehmigungen bedurfte, um ein Haus außerhalb der Ortsgrenzen in freier Landschaft zu errichten. Wenn bekanntlich auch die königlich Bayerische Bürokratie nicht weniger ausgeprägt war als etwa die kgl. Preußische, und wenn Bayern auch leider keineswegs weniger zentralistisch ist, so scheinen im Königreich die entsprechenden Fragen doch noch bloße Gemeindeangelegenheiten gewesen zu sein. Zwei Grundstücke fielen schließlich in die engere Wahl, die beide nahe des einleitend schon beschriebenen Wolfsbrunn lagen. Zuletzt blieb eines übrig, wohl weil es über den oberen, wenn auch ungleich schwächeren Teil der Quelle verfügte, die dann auch dem Haus den Namen gab.

Das ausgewählte Gelände gehörte damals zum Besitz des Landwirts Robert Haas, der Eigentümer des ältesten erhaltenen Bauernhauses im Odenwald war. Das noch in Pfeiler-Fachwerk errichtete sog. "Watterbacher Haus" ist heute nach Preunschen versetzt und wird für ein sehr sehenswertes Waldmuseum genutzt. Die Haasens sind eine alte Watterbacher Familie, deren Besitz sich einst u.a. von ihrem Stammhaus im Dorf bis an die Gemeindegrenze an der Wolfsklinge erstreckte. Für Landwirte war die steinige Holzung nur von geringem Interesse , wenn man sie auch gelegentlich als Steinbruch nutzen konnte, doch ist die Gegend auch anderswo "steinreich".

Neben der Korrespondenz zwischen Küch und Venator sind älteste erhaltene schriftliche Zeugnisse über den Bau des Landsitzs Rechnungen vom Dezember 1906 über Arbeiten auf dem Baugelände. Der Bauherr trieb ungeduldig zur Eile und erreichte es, daß das Haus schon ab Juni 1907 bezugsfertig wurde. So konnte er es am 5. Juli seiner Frau zu ihrem Geburtstag schenken. Das entsprechende Schriftstück ist erhalten.