Die Ziegen

'Ziegen sollten auf dem Wolfsbrunn’ sein, meinte einmal mein Großvater Carl August Emge. Was als kurzer Reim gedacht war, daran erinnerte ich mich Jahrzehnte später, als wir mit der 'Horde’ auf dem Wolfsbrunn lebten und die Bäume und das Gebüsch um uns herum immer größer wurden.

Wir lebten ja damals grün im Grünen und als natürliches Regulativ gegen dieses Gebüsch erschien mir die Rasse Capra eine ideale Option. Ich fuhr also damals mit dem alten blauen Kasten R4 zusammen und Freund Joody zum hessischen Vogelsberg, wo wir dann irgendwo einen Bauern fanden, der uns günstig zwei 'Deutsche braune Edelziegen' mit Gehörn, eindrucksvollem schwarzen Aalstrich und den keineswegs selbstverständlichen 'Glöckchen' verkaufte.

Als wir mit den Ziegen auf dem Wolfsbrunn ankamen, da war der Gastdalmatiner von Andrea 'Zunder’ natürlich sehr aufgeregt und versuchte sich den eingeschüchterten zwei Ziegen laut bellend zu nähern. Die eine, die wir daraufhin 'Emma’ getauft hatten, wehrte sich mit ihren Hörnern und eindrucksvoll auf den Hinterbeinen stehend. Die andere drückte sich in die Ecke, von Emma geschützt und wurde daraufhin 'Feige’ genannt.

Wir hatten natürlich keinerlei Ahnung von der Ziegenhaltung, aber zu Fressen gab es ja genug. Wir ließen uns also Pflöcke schmieden und lange Ketten, an denen wir die Geißen anbanden. Für das Gebüsch aber war diese Methode nicht geeignet. Wir bauten also einen Zaun; auch davon hatten wir keine Ahnung, aber wir konnten diesen ja als Maschendraht fertig kaufen. Na ja, eine Zeitlang stand er immer, der Zaun, aber die Caprae waren immer schlauer als wir dachten. Wir mussten uns also mit einer gewissen Intelligenz der Tierwelt auseinandersetzen, die uns Probleme bereiten konnte.

Aus irgendwelchen Gründen bevorzugten die Wiederkäuer immer das Grün oder Bunt der Blüten HINTER dem Zaun. Egal, wie viel noch innerhalb des Geheges zu fressen war, die Viecher setzen immer alles daran, neue Wege nach außen zu finden und die schwachen Stellen in der Zaunkonstruktion innerhalb kürzester Zeit ausfindig zu machen, um sich dann an den Blüten oder dem jungen Gemüse auf den mühsam gejäteten Beeten zu laben. Manchmal auch machten sie sich selbstständig und wanderten rauf auf die Chaussée oder gingen im Wald spazieren und nagten die Bäume an. All das führte zu Aufregung und natürlich auch zu Stress, was wir mit der Ziegenhaltung so eigentlich überhaupt nicht geplant hatten.

Und Daniela ergänzt dazu: - und: Dass sie die Knospen der mühsam über den Winter geretteten Geranien und den Broccoli fraßen und das Clopapier
aufrollten, die Farbkammer aufräumten und irgendwann auf dem Dachboden standen ...  Ach ja und auch mein archäologisches Hochglanzbuch über das Neolithikum aus der UB wurde mitten drin angeknabbert und so zurückgegeben. Mit Ziegenfraß in der UB hatten die dortigen Restoratoren sicher noch nie zu tun...

Sehr beeindruckt hat mich auch das strategische Denken der Ziegen. Als diese im Herbst in ihrem später einigermaßen dichten Wiesengehege am Bach in dem alten Elektrohäuschen stallten, da weideten sie erst einmal in die am weitesten entfernten Regionen ihres Geheges ab, bevor die Paarhufer erst im späten Winter die näher liegenden Zonen am Stall auch unter leichtem Schnee abfraßen.

Tatsächlich aber haben wir auch von den Ziegen profitiert und unsere Freude und Nutzen gehabt. Wir ließen Emma und Feige zweimal decken und es entstanden ein paar Zicklein, die nur allzu allerliebst und drollig ihre Jugend genießen. Die Jungböcke mussten natürlich geschlachtet werden (was wir den Metzgern überließen) und es erforderte eine gewisse Überwindung, das wohl köstlichste Fleisch aller Zeiten wirklich zu genießen.

Auch gab es dann eine Zeitlang Ziegenmilch; wir lernten also melken und machten Käse zu unserem selbstgebackenen Brot. Richtig erfolgreich aber war das nicht, obwohl gelegentlich köstliche Produkte entstanden. Aber der Nutzen der Tiere vor allem hinter dem Haus war enorm. Das 'Überweiden’ der immer wieder neu ausschlagenden Baumstümpfe führte fast dazu, dass die nicht so nah am Haus gewollten Baumstümpfe abstarben. Immerhin war es für ein paar Jahre licht und Blätterfrei und es war nett, wenn einem die Ziegen, steil im Felsen stehend bei den Sitzung auf dem Klo wenige Meter vis-à-vis entgegenblinzelten.

Im Nachhinein haben sich die Ziegen im Hang als keineswegs schlechte Lösung zur Niedrighaltung des stets schnell wachsenden Gebüschs erwiesen. Wäre da nur ein sicherer Zaun und jemand ständig dort, der die Verantwortung übernehmen würde...

Andus